15thJuli

Buchbesprechung: Marx, Reinhard: Freiheit; Kösel Verlag: München 2020: 2. Auflage: ISBN 978-3-466-37261-4: 175 Seiten: 18,00 EUR

Freiheit ist ein Weg, ein steter Prozess. Sie unterliegt einer Dynamik, ist eine ständige Herausforderung. „Ich bin so frei: Der Begriff „Freiheit“ fasziniert und lädt ein, Grenzen zu überschreiten all das zu tun, was ich mir immer schon gewünscht habe“. Habe ich Freiheit ohne Grenzen? Oder ist Freiheit viel mehr? Das moderne Freiheitspathos und der christliche Freiheitsbegriff  stehen auch in „Spannung“. Ja, jeder möchte ein freier Mensch sein. Aber wollten dies nicht schon die Anarchisten? Marx: „Die Freiheit ist sozusagen der innere Kern des Menschseins, die Gottebenbildlichkeit des Menschen.“ Die Kirche selbst muss Inspiration für eine verantwortliche Freiheit – für eine Freiheit, die den Menschen öffnet, sogar über das Irdische hinaus.

Das Buch beleuchtet und dreht sich um den Begriff “Freiheit“ in insgesamt elf Kapiteln. Das 2. befasst sich mit „Gott ist frei“, bevor dass 3. folgt mit „Der Freiheit auf den Grund gehen“. Ist die Schöpfung als „Objekt der Beherrschung“, eine Aufforderung zu einem modernen Anthropozentrismus zu sehen oder sind „der Freiheit Grenzen gesetzt, damit sie nicht zur Beliebigkeit und zur Hybris führt“? Gott hat in völliger Freiheit und Souveränität die Welt und den Menschen erschaffen. „Der Mensch gibt den Tieren Namen, ernährt sich vegetarisch und wohnt in einem Garten, der durch Arbeit gestaltet werden kann“. Ist das Fleisch eine Sünde? Doch nach dem „Exodus“ und dem langen Weg durch die Wüste, war Fleisch wieder ohne Sünde. Das „Volk Gottes“ ging den „Weg der Befreiung“! dies fängt Marx wieder ein: „So ist die Berufung zur Freiheit der Kern des biblischen Menschenbildes. Denn: Gott ist ein Gott der Befreiung“.

 

Die politischen Ideologien dieses Jahrhunderts haben die Freiheit im Kern zerstört und die Würde des Menschen mit Füßen getreten. Selbst das Ideal einer „offenen Gesellschaft“ hat seinen Glanz verloren. Der Weg der Ideologisierung pervertiert das      Bild Gottes und erniedrigt den Menschen. Doch „die Freiheit des Menschen gründet in einer solchen transzendentalen Beziehung zu Gott und birgt gerade deshalb ein revolutionäres Potenzial!“ Heilsgeschichte und Weltgeschichte laufen nicht nebenein-ander her, sondern sind aufeinander bezogen. Wir sind nicht Gott und können die Geschichte nicht nachträglich korrigieren. Deswegen wird die Auseinandersetzung um Wahrheit(en) und Freiheit(en)en in der Kirche und in der Welt weitergehen müssen. Ohne Wahrheit steht Freiheit allzu leicht in der Gefahr, zur Beliebigkeit und zum Spielball der Interessen und der Macht zu werden. „Der Glaube wird in den Dienst der Politik und sogar der Ideologie genommen.“

 

Die Freiheit trägt Verantwortung“ und die Sehnsucht nach Glück findet einen Weg darin, das eigene Leben als Gabe und Aufgabe zu erkennen und in „verantwortlicher Freiheit“ zu gestalten. Die Kirche im Dienst der Freiheit hat die Aufgabe „nicht nur im Dienst der einen Menschheitsfamilie und der Einheit der Menschen mit Gott zu stehen, sondern im Dienst der Freiheit“. Das ist wie die Quadratur des Kreises. Mit dem synodalen Weg „erhoffe ich eine neue Epoche des Christentums“. Auf der Agenda müssen stehen: „die Fragen nach Macht Partizipation und Gewaltenteilung, nach der Rolle der Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche, die Frage nach der priesterlichen Lebensform und die Fragen der Sexualmoral“. Gemischt geschlechtliche Teams tun der gesamten Kirche gut. Eine Orientierung am „Weltgemeinwohl“ sei sehr notwendig, gepaart mit einer neuen Fortschrittsidee und einer „ganzheitlichen Ökologie“, dem „globalen Gemeinwohl“!

 

Mein „Ja zur Freiheit“ beruht auf meiner Beschäftigung mit der „Theologie der Befreiung“ und damit auch meine Sympathie von Bewegungen  wie Fridays for Future“. Recht hat Reinhard Marx mit der Feststellung, dass man „Theologie nicht betreiben kann, ohne die Welt zu kennen, verstehen zu wollen, was vorgeht, von anderen zu lernen, andere Wissenschaften zu integrieren, mit all ihren jeweiligen Begrenzungen und Sachlogiken“. Wenn  Marx meint, am Anfang einer „neuen Weltordnung“ zu stehen, dann hängt das damit zusammen, die Wirklichkeit nicht zu verstehen, Ursache und Wirkung zu vertauschen, dem Wetter freien Lauf zu lassen und das Klima an die Leine zu legen. „Freiheit braucht Mut“, den Mut sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, denn „Iustitia fiat Pax“!

 

Auch Marx ist nicht „Gott“ und kann nicht die Wettergeschichte, das Klima, korrigieren. Das Wetter liegt außerhalb unserer menschlichen „Verantwortung“!

 

Dipl.-Meteorologe Dr. phil. Wolfgang Thüne

Oppenheim, den 15. Juli 2020

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