29thJuni

Buchbesprechung: Kinzer, Stephen: Project Mind Control; Sidney Gottlieb, die CIA und das LSD – wie der amerikanische Geheimdienst versuchte, das Bewusstsein zu kontrollieren. München 2020; riva Verlag; Seiten 368; ISBN 978-3-7423-1336-2; Euro 24,99.

Das Buch liest sich leicht wie ein Kriminalroman, es ist aber mitten aus dem Leben gegriffen und startete, von Präsident Harry Truman, am 3. September 1946 unter dem Namen „Operation Büroklammer“.  Die US-Army hatte einen neuen Geheimdienst „Joint Intelligence Objectives Agency“ gegründet und begann, „über Leichenberge zu steigen – und das Wissen der Naziforscher wie eine verbotene Frucht einzusammeln“. General MacArthur hatte den Grundsatz formuliert: „Der Wert japanischer Informationen über biologische Kriegsführung ist für die Sicherheit der USA sehr viel bedeutsamer als die Verfolgung von Kriegsverbrechen“. Die medizinischen Folterzentren waren erstaunlich ähnlich. So gründete Präsident Truman im Jahr 1947 den „National Security Act“, um Geheimoperationen zu erfüllen, die die nationale Sicherheit betrafen.

Per Zufall war am 16. April 1943 im Sandoz-Labor in Basel bei Experimenten mit „Mutterkorn“ Dr. Albert Hofmann von „verwirrenden Schwindelgefühlen überwältigt“. Er hatte mit „Lysergsäurediethylamiden“ experimentiert und berichtete über eine sehr  „außergewöhnliche Wirkung des LSD auf die menschliche Psyche“. Er hielt das LSD für „das bei Weitem aktivste und spezifischste Halluzinogen“. Innerhalb einer Generation sollte LSD die Welt erschüttern! Im Sommer 1951 war für die Amerikaner eine Zeit der Angst, vor Kommunisten. Am 13. Juli 1951 hatte Sidney Gottlieb seinen ersten Arbeitstag bei der CIA. Er wurde Leiter der neu gebildeten Chemischen Abteilung des „Technical Services Staff“.  Er hatte die Aufgabe, Spionagewerkzeuge zu entwickeln, zu testen und zu beurteilen. Ein großer Teil der „Artischocke-Arbeit“ war nichts als medizinische Folter. Dazu gehörte neben LSD, Marihuana, Kokain, Heroin und Meskalin. Gottlieb wurde Amerikas „Zar der Bewusstseinskontrolle“. Er hatte den Auftrag, eine „Wunderdroge zu finden, mit der man die Feinde der Freiheit besiegen und die  Welt retten konnte“. Die Periode bis 1954 war eine „wilde und wirre Zeit“. Die CIA fiel in jeder Beziehung auf die Fantasie „Gehirnwäsche“ herein.

 

Das 7. Kapitel „Gefallen oder gesprungen“, das zuerst die Polizei und dann die  Medien-Öffentlichkeit neugierig machte. Frank Olsen, ein Mitarbeiter von Gottlieb, war in Manhattan im Hotel Statler aus dem Fenster „gefallen“. Man hatte ihm neun Tage vorher LSD ohne sein Wissen verabreicht, eine „Fehleinschätzung“! Eli Lilly war in der Lage, LSD „tonnenweise“ herzustellen. Die CIA war ihr Hauptkunde. „Subprojekte“ Gottliebs gehörten zu den geheimsten Projekten der amerikanischen Regierung. Am 9. April 1956 stellte Senator Mike Mansfield den Antrag, die CIA ständig zu überprüfen, doch der Senat lehnte ab, weil der „CIA absolute Geheimhaltung“ brauchte. Doch die Neugier seigte, Romane und Filme machten die Amerikaner glauben, dass ein „Mensch den Geist eines anderen übernehmen“ kann. Macbeth fragte: „Aßen wir von jener gift’gen Wurzel, die die Vernunft bewältigt“? Das unberechenbare „Wahrheitsserum“ wurde auch Studenten verabreicht und beflügelte eine Bewegung. Ende der 50’er Jahre wurde LSD „der letzte Schrei in der New Yorker Schickeria“! Die Droge breitete sich aus und eroberte die High Society, wurde zum Symbol der freien Liebe, der Hippie-Revolution. Ende 1963 kamen die Aktivitäten zum Erliegen. Gottlieb kam zu der Einsicht, dass „Bewusstseinskontrolle ein Mythos ist, dass es unmöglich ist, den Geist des Menschen in Besitz zu nehmen und umzuprogrammieren“. Sidney Gottlieb verließ die CIA am 30. Juli1973, nicht ohne vorher die Anordnung getroffen zu haben, die Akten über Drogenforschung und Drogentests zu vernichten.

 

Das politische Klima in den USA, das lange günstig für die CIA war, hatte sich geändert. Es wurden „Geschichten“ nach außen lanciert! Insbesondere der „Fall Olson“ war Anlass. Auch Gottlieb wurde vorgeladen. Als erstes ließ er sich „Straffreiheit“ zusichern. Er überstand seine geheimen Aussagen ohne Schaden. Gottlieb sagte seinen Kindern: „Auch ich habe einiges getan, was mir leidtut, aber ich habe gelernt, es für mich zu behalten“. Er starb am 7.März 1999 in seinem Haus in Virginia im Alter von 80 Jahren. Die Todesursache teilte sein Frau Margret nicht mit, die am 2. November 2011 verstarb. So bleibt auch im Dunkeln, was er bei dem schmutzigsten aller CIA-Jobs getan und zu verantworten hatte. Jedenfalls war er kein Sadist! Seine Nachbarn hielten das Ehepaar Gottlieb für die „nettesten Leute, die man treffen kann“!

 

Ein Buch, das zu lesen ein Muss ist, zumal alles, was Dr. Sidney Gottlieb getan hat, im Dienste der Weltmacht USA getan wurde, im Sinne der biologischen Kriegsführung! Im Nürnberger Kodex stand: „Erforderlich ist die freiwillige, einsichtige Zustimmung des gut informierten, voll geschäftsfähigen menschlichen Probanden“.

 

Diplom-Meteorologe Dr. phil. Wolfgang Thüne

 

Oppenheim, den 28. Juni 2020

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