12thAugust

Buchbesprechung: Freytag, Michael (Hg.): Verbraucher-Vertrauen – Die neue vernetzte Welt: Herausforderungen für Unternehmen und Kunden; Frankfurter Allgemeine Buch; Frankfurt 2015; 277 Seiten; ISBN 978-3-95601-116-0; Euro 29,90

Es ist ein anspruchsvolles Buch, in dem das Wort „Vertrauen“ eine ganz zentrale Rolle spielt, neben dem Wort „Sicherheit“. An beidem mangele es, wie das Schlusskapitel „Verschlüsseln, informieren, misstrauen für eine sichere Kommunikation“ zeigt. Es geht aber nicht nur um „unliebsame Datendiebe“, die Digitalisierung „löst vielfach Angst“ aus. Noch herrscht in der digitalen Welt der unbegrenzten, nicht hinreichend kontrollierten und undurchschaubaren Kommunikation ein berechtigtes Misstrauen, das auch nicht so leicht aus der Welt zu schaffen sein wird.

Michael Freytag als SCHUFA-Chef hat 24 Autoren ausgewählt, um dieses Thema kritisch aus diversen Perspektiven zu beleuchten und zwischen Kunden und Unternehmern ein „Vertrauensklima“ aufzubauen. Tom Sommerlatte verweist im 1. Aufsatz auf die starke Hebelwirkung des Faktors „Vertrauen“ und diskutiert die fünf Werte -Kommunikation, Zuverlässigkeit, Wertschätzung, Perspektive, Affinität-, die für die „Schaffung eines Vertrauensklimas“ unerlässlich sind. Vertrauen hängt von Neigung ab und „Klima“ heißt Neigung. So finden wir nahezu in allen Kapiteln Sätze wie „Vertrauen ist der Anfang von allem“ und „Vertrauen ist jedoch grundsätzlich enttäuschbar und ohne seine hässliche Schwester, das Misstrauen, auch riskant“. Diese negative Abwertung des Misstrauens passt so gar nicht zu der Aussage, dass Vertrauen und Misstrauen ein „Zwillingspaar“ seien.

 

Wie hässlich auch das „Vertrauen“ sein kann, zeigt ungewollt Arved Lüth in seinem Betrag „Transformationsgestalter: Vom toxischen zum ganzheitlichen Wirtschaften“. Lüth predigt die „Große Transformation“ und bezieht sich allzu vertrauensselig auf die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus. Aber nein, „der Klimawandel ist (k)ein globales Problem mit schwerwiegenden Umwelt-Aspekten“! Der „Klimawandel“ ist ein „Neigungswandel“ und existent, seit die Erde sich um die eigene Achse wie um die leuchtende Sonne dreht. Das CO2-Molekül ist schon gar kein toxisches Klima-Gas, kein „Klima-Killer“, sondern ein unverzichtbares Spurengas für das Leben aller grünen Pflanzen, den für alles Leben wichtigen Primär-Produzenten. Es hat keinerlei Bezug zum Wetter mit seinen täglich und jahreszeitlich wechselnden Temperaturen. Was nicht auf das Wetter einwirkt, kann per Definition nicht auf das Klima einwirken. Dabei hat Lüth aufgerufen zum „Bereit sein zum Lernen“. Das sollte auch für ihn gelten.

 

Ein bedeutsames Kapitel behandelt Matthias Kammer mit „Vertrauen mit weniger Gewicht im Internet“. Wenn auch die fortschreitende Digitalisierung der modernen Welt nicht zu stoppen ist, so gehen von ihr große Gefahren aus: „Fakt ist jedoch auch, dass in Zeiten der massenhaften Ausspähung durch Geheimdienste, der ständigen Enthüllungen rund um die Thematik und der permanenten Angriffe aus dem Netz auf Bürgerdaten“ Misstrauen angesagt ist, zumal auch der Staat aktiv Daten abgreift und nicht für den Bürger die „Rolle eines beschützenden Organs“ wahrnimmt. Nicht von ungefähr stellt Kammer fest: „Längst greift der Begriff Datenschutz zu kurz. Das Ziel muss höher gesteckt werden: Stärkung unserer Freiheitsrechte. Sonst ist das ureigene Persönlichkeitsrecht bedroht“. „Auf keinen Fall darf sich der Verbraucher darauf verlassen, dass die globalen Internetplayer auf seiner Seite spielen und ihn schützen“. Misstrauen ist nicht hässlich, sondern wunderschön und notwendig. Zur Wahrung der Würde des Einzelnen hat Roman Herzog 2013 einen „digitalen Kodex“ angeregt.

 

Von den insgesamt sechs Großkapiteln widmet sich das fünfte dem „Identitätsschutz für mündige Verbraucher“. Darin werden auch technische Grundregeln gegeben, wie Laien gefälschte Websites identifizieren und ob wir Algorithmen vertrauen können. Mechthild Heil behandelt „Das Rad des Vertrauens und seine Speichen“. Aber auch der Datenschutz brauche eine digitale Revolution, wie die Schlagworte „Cloud Computing“ „Industrie 4.0“ und „Coco Cloud“ andeuten sollen. Hier sind die Politik und auch die Justiz gefordert, die jedoch mit dem technischen Fortschritt schwerlich mithalten können, so dass die Einführung, laufende Kontrolle, Dokumentation und Prüfung dieser Prozesse zu einem aufwändigen und schwerfälligen Verwaltungsapparat zu drohen werde. Von einem „bürokratischen Alptraum ohne technischen Tiefgang“ ist die Rede.

 

In „Vertrauen entsteht durch Werte“ macht Hans-Jürgen Papier eine nachdenkliche Analyse: „Schon heute reguliert und determiniert eine immer weiter steigende Flut von neuen Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften“ des Bundes, der Länder und der EU bis ins Detail hinein. Dies erfordere immense Kosten im Bereich von Bürokratie und Rechtspflege, wobei ein gewaltiges „Vollzugsdefizit“ existiere. Damit schwinde das Rechtsbewusstsein der Bürger, wachsen Verdrossenheit und Resignation. Das geforderte „Vertrauen“ kann so nicht gedeihen, zumal der Verweis auf Art.1 Abs. 1 GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ wenig konkret ist und es sich zeige, dass die Menschenwürde zur „kleinen Münze des Verfassungsrechts“ degeneriere.

 

Das Buch ist ziemlich abstrakt und theoretisch orientiert und keine Lektüre, mit der man das Einschlafen fördert. Es wäre etwas für die Politik, denn da herrschen die größten Defizite, aber Politiker leiden unter chronischem Zeitmangel.

 

Oppenheim, den 5. Juli 2016

Dr. Wolfgang Thüne

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