21thJuli

Buchbesprechung: Braml, Josef: Auf Kosten der Freiheit – Der Ausverkauf der amerikanischen Demokratie und die Folgen für Europa; Quadriga-Verlag, Köln 2016; 224 Seiten; ISBN 978-3-86995-086-0; 22,00 Euro

Sachkundig führt der Autor in das Selbstverständnis der amerikanischen „Demokratie“ ein und zeigt schonungslos ihre guten wie auch noch mehr ihre schlechten Seiten. Braml ist „USA-Experte“. Er leitet die Redaktion des „Jahrbuchs Internationale Politik“ in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Schon die Vorbemerkung hat es in sich: Im „Land der Freien“ haben die Besitzenden seit jeher den Ton angegeben, waren die USA im Griff der „Räuberbarone“. Alle Reformansätze haben daran nichts geändert: „Wirtschaft und Politik in den USA werden wieder von Ölmagnaten, vom militärisch-industriellen Komplex, von Immobilien- und Finanzimperien und den Giganten der Medien und der Informationstechnologie wie Google und Apple beherrscht“.

Die US-Notenbank betreibe „Sozialismus auf hohem Niveau“: „Indem die Verlust der Finanzakteure sozialisiert wurden, hebelte der als Notenbank verkleidete Staat die Grundlage kapitalistischer Ordnungen aus, nämlich das Haftungsprinzip: dass jene, die Fehler begehen, dafür die Verantwortung tragen.“ Dem Gerechtigkeitssinn der Bürger sei schwer vermittelbar, dass jene, die die Krise verursacht haben, auch noch dafür belohnt werden. Durch das Gelddrucken der Notenbanken und die niedrigen Zinsen, enteignet der Staat die Sparer, die wähnten, durch Sparen ihre private Altersvorsorge gesichert zu haben. Da hilft auch nicht weiter, dass Sozialwissenschaftler die politische Entmündigung und Schädigung der Bürger mit dem Begriff „Post-Demokratie“ in Worte zu fassen versuchen. Wenn der Souverän, der Bürger, entmündigt wird, dann ist das demokratische Fundament bereits ausgehöhlt. Josef Braml: „Im global vernetzten „Raubtierkapitalismus“ treiben die „Märkte“ ohnehin schon die überforderten Politiker, insbesondere auch jene der Europäischen Union, vor sich her“. Auch die Europäische Zentralbank hat kein anderes Rezept, als sinnlos neues Geld zu drucken.

 

Braml fordert einen unabhängigen Staat: „Der Staat soll weder den Wirtschaftsprozess zu steuern versuchen noch die Wirtschaft sich selbst überlassen: staatliche Planung der Formen – ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses – nein“. Eine Mahnung an die USA ist, dass die von ihr getragene „Weltordnung“ nicht mehr liberal sein kann, wenn sie im Innern ihre Liberalität preisgibt. Braml fordert, „die kritischen Fähigkeiten des Menschen“ freizusetzen, doch wie soll das gelingen, wenn die Bürger auf die Experten- und Medienmeinung angewiesen sind, um sich ein Bild von dem machen zu können, was in der Welt geschieht? Er kann vor lauter Desinformation, Manipulation und Propaganda die Wahrheit ja nicht mehr erkennen. „Politik wird in den USA von Gleichgesinnten gemacht, deren themenspezifische Netzwerke Politiker, Lobbyisten, Medienvertreter und Experten umspannen“. Repräsentanten sollten den Willen des Volkes repräsentieren, doch das tun sie nicht! Kein Wunder, dass das „Vertrauen“ in die eigene Regierung auf ein Rekordtief gesunken ist. Das gilt längst auch für Europa. USA als „ehemalige Vorbild-Demokratie“ liegt „nur noch hauchdünn über der Grenze zur unvollständigen Demokratie mit beträchtlichen Fehlfunktionen“.

 

Das Buch ist übersichtlich in sechs Großkapitel gegliedert und lenkt aus immer anderer Perspektive den Blick auf Defizite und offene Wunden. In dem Kapitel „Die Macht der Wirtschaft – wo das Geld über die Politik entscheidet“ kritisiert Braml, dass in den 1990er-Jahren die USA das „Turbotriebwerk der Finanzliberalisierung“ starteten, doch nach dem Finanzcrash samt Bankenpleiten wird „die Illusion einer freien Wirtschaft vom Staatstropfe genährt“, mit dem Geld der Staatsbürger. Doch schon laufe man einer neuen Illusion nach, dem Zauberwort „Big Data“. Wer die Macht der Daten habe, verfüge auch über Wirtschaftsmacht. „Doch auch diese neue, vernetzte Industriewelt ist wohl wieder einmal zu schön, um wahr zu werden“. Beängstigend ist auch die Macht der Mediengiganten. Die „großen Sieben“ der USA führen das Ranking der weltweit größten Medienkonzerne an. Der Preis? „Weniger Auswahl und noch weniger Qualität“. Wir nähern uns weltweit einer „Informationswüste“, in der es keine Vielfalt, sondern „nur die Vervielfältigung weitgehend gleicher, häufig sehr leichter Inhalte“ gibt. Wir werden mehr und mehr konditioniert, wie es Pawlow mit seinen Hunden getan hat in Richtung auf eine globale „Schwarmintelligenz“, besser „Schwarmdummheit“. Den Ton gibt dann eine kleine „Elite“ an, die auf extrem teuren privaten „Elite-Universitäten“ gezüchtet wird. Die „Masse“ hat zu folgen, schnell zu reagieren!

 

Mit dieser „Spezial-Elite“ werden die „Thinktanks“ als Ideen- und Personalagenturen, wird die US-Verwaltung bestückt, die ohnehin „ein unübersichtlicher Wildwuchs von Organisationseinheiten“ ist, die sich der exekutiven Gewalt des Präsidenten entziehen. Schwachen Parteien stehen starke Interessengruppen gegenüber, die professionell perfekt gerüstet sind und die politischen Entscheidungsprozesse dominieren. Die Lobbyismus-Industrie ist ein rasant wachsender „Industriezweig“, der nichts produziert als Meinungen und Interessen, die dann in die Politik infiltriert werden. Bei den Präsidentenwahlen, den Kongresswahlen wie der Senatorenwahlen spielt „Geld“ eine herausragende Rolle, so dass der Spruch „Geld regiert die Welt“ durchaus seinen Sinn hat. Spannend ist auch das Kapitel „Realpolitik ohne Werte – wie die USA die Welt nach ihren Interessen ordnen“ und, das auf Europa gerichtete Kapitel „Ausblick über den Tellerrand – was getan werden muss, damit wir unsere Freiheit nicht verlieren“.

 

Das Buch erschüttert und macht nachdenklich insbesondere in Hinblick auf den wie selbstverständlich angenommenen Anspruch der USA, eine „globale Ordnungsfunktion“ zu besitzen, um eine „Weltordnung amerikanischer Prägung“ zu etablieren, auch mit Gewalt. Die Zeiten scheinen vorbei, denn „wenn der Westen und seine Führungsmacht ihre hehren Werte selbst nicht vorleben, dann bleiben auch Ideen wie eine „Allianz der Demokratien“ leere Worthülsen“, denn wo wird „Demokratie“ dem Wortsinn nach noch wirklich praktiziert? Wer zu seiner eigenen politischen Mündigkeit beitragen will, der muss das Buch lesen!

 

Ex: Preußische Allgemeine Zeitung Nr. 29 vom 22. Juli 2016, S. 22

 

 

 

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